Was auf keinen Fall heiBen soll, dass Trigons brandneuer Exxceed Integrated irgendwie spottbillig geraten ware. lm Gegenteil: Mit minimal 3.800 Euro beiBt er schon kraftig an der Hobbykasse herum. Der Gegenwert für die Investition ist allerdings so überzeugend, dass sich der Preis relativiert. Der lntegrated ist ein erster Vorbote einer neuen Geratelinie des Kasseler Herstellers. Spater im Jahr sollen ein Musikserver auf Roon-Basis mit CD-Ripping-Funktionali tat, spater im Jahr eineVor-/Endverstarker kombi folgen. Sie meinen, das klingt alles sehr nach schöner neuer Welt und so gar nicht nach dem, womit sich ein Magazin namens „LP" in erster Linie beschiiftigen sollte? Und jetzt stellt sich auch noch he raus, dass der Vollverstiirker noch nicht einmal einen Phonoeingang, dafür aber jede Menge Digitalanschlüsse hat?
Alles richtig. Nun sind aber weder Sie noch wir völlig aus der Zeit gefallen und uns völlig darüber im Klaren, dass es auBer der Schallplatte noch andere Möglichkeiten gibt, Musik dazu zu bewegen, aus den Lautsprechem im Wohnzimmer zu erklin gen. Und es ist überhaupt nichts dagegen zu sagen, wenn ein Verstiirker die Möglich keiten bietet, sich modemen digitalen Me dien zu öffnen.
Und das Nichtvorhandensein eines Phono eingangs ist, wenn man sich in der Trigon Welt bewegt, überhaupt kein Problem - exteme Phonolösungen gibt's dort zuhauf. Anbieten würde sich der Vanguard III, der gestalterisch genau in die gleiche Kerbe schliigt wie die Exxceed-Linie und au8er dem eine wirklich gute Phonovorstufe ist. Der Exceed Integrated ist, und deshalb hat er's an diese Stelle geschafft, ein hochwer tiger, modem konzipierter Vollverstiirker, der klassische Tugenden genauso wenig au
:Ser Acht Iasst wie er den Anschluss an die Jetztzeit hiilt. Physisch manifestiert er sich als 18 Kilogramm schweres Geriit in piek feinem Outfit: Das Aluminiumgehiiuse ist ohne sichtbare Schrauben montiert, beim Deckel setzte man gar auf einen aus der hauseigenen Premium-Line entliehenen Deckel aus einem Aluminium-Edelstahl Sandwich. Das Geriit ruht auf vier bestens entkoppelnden "Trigon-Suspension"- Fü:Sen, bei <lenen eine runde Kunststoff folie die nötige Elastizitiit besorgt.
Das „Gesicht" des Geriites wird von einer gelungenen Kombination aus traditio nellen und modernen Bedienelementen bestimmt. Die beiden Drehknöpfe (mit Tastfunktion) links und rechts bilden im Betrieb in bewiihrter Manier die Quel lenwahl und den Pegelsteller, ergiinzend gibt's vier Sensortatsten hinter dem mit tigen Acrylglasfenster. Jenes beherbergt auch das auskunftsfreudige Display, das über alle möglichen Betriebszustiinde des Geriites informiert. AuBer über die einge stellte Lautstiirke, dafür gibt's einen Ring aus winzigen Leuchtdioden rund um den Pegelsteller. Da muss man allerdings ziem lich gerade draufgucken, sonst macht die Parallaxe der Sichtbarkeit den Garaus.
ln Betrieb genommen wird das Geriit mit dem rechten der vier Sensortaster- voraus gesetzt, der rückwiirtige harte Netzschalter ist eingeschaltet. Die anderen Kontakte ak tivieren die Muting- und Mono-Funktion oder erlauben den Zugriff auf das Einstell menü. Darüber lassen sich eine ganze Men ge Features einstellen: So kann man jeden Eingang einzeln vorpegeln (damit's beim Umschalten keine Lautstiirkesprünge gibt), die Startlautstiirke festlegen, die Kanalba lance veriindern und die Ausgangskonfigu ration festlegen. Das heillt, dass sich Kopf hörer-, Aufnahme- und Vorstufenausgiinge des Geriites separat voneinander schalten lassen. Au8erdem kann man das Filterver halten des eingebauten D/A-Wandlers ver iindern und jedem Eingang eine „Durch schleiffunktion" für den Heimkinobetrieb zuordnen. Die Konstrukteure haben Sorge dafür getragen, dass man dieses potenziell lautsprechermordende Feature (die Laut stiirkeregelung wird dabei überbrückt) nicht aus Versehen anwiihlt. Was ich in dieser Form noch bei keinem anderen Ver stiirker gesehen habe: ein echtes „Power Management".Darüber kann man sich mit Display-Abschaltung und Leuchtdioden helligkeiten beschiiftigen und dem Geriit eine zeitgesteuerte Abschaltung beibrin gen. Maximal vier Stunden und fünfzehn Minuten sind vorwiihlbar.Bleibt noch die Möglichkeit, den diversen Anzeigen des Displays 24 unterschiedliche Farbtöne zu ordnen zu können und alle neun Eingiinge mit individuellen Namen zu belegen.
Im normalen Betrieb hat man damit nicht viel zu tun; das Gerät zeigt am linken Displayrand den gerade angewählten Eingang an, rechts gibt's Auskünfte über die Art des anliegenden Digitalsignals und „Quittungen" für die Funktion der Sensortasten. Die gut besetzte Rückseite birgt Anschlüsse für vier analoge und fünf digitale Quellen. Zu den drei Cinch-Eingängen gesellt sich sogar ein XLR-Anschluss, ein solcher ist auch als Vorstufenausgang vorhanden. Ein Tape-out fehlt ebenso wenig wie ein USBAnschluss für Steuer-Software-Updates. Lautsprecher docken über feinste WBTNextGen-Terminals an, der Rest des Buchsenreigens gehört zur Digitalfraktion: Vier S/PDIF-Anschlüsse in optischer und koaxialer Ausführung sind Standard, der USBSignaleingang nicht: Das entsprechende Modul - zum Einsatz kommt eine moderne XMOS-Lösung - will mit 400 Euro extra honoriert werden.
Wie Sie sehen: Das Austattungspaket ist prall, für alle hifidelen Lebenslagen gerüstet und ausgesprochen gelungen verpackt. Werfen wir noch kurz einen Blick unter den Deckel und überzeugen uns von den inneren Werten des Gerätes. Wie kaum anders zu erwarten, offenbart sich ein absolut professioneller Aufbau. Zwei voluminöse Ringkerntrafos speisen kanalgetrennt die links und rechts auf fein säuberlich abgerundeten solide dimensionierten Kühlkörpern angeordneten Endstufen. Die kernige auerausgangsleitung von 170 Watt pro Kanal an vier Ohm besorgen vier bipolare Ausgangstransistoren, die Endstufenschaltung ist eine moderne Konzeption ohne roßes audiophiles Brimborium, dafür mit umso mehr Stabilität. Beachtung verdient die Stromversorgung der Vorstufensektion: Sie wird aus einem sogenannten,Shunt-Regler' gespeist. Diese parallel zum Verbraucher arbeitende Anordnung ist zwar denkbar energieineffizient, regelt dafür Störungen weg, die konventionelle Regelungen nicht schaffen. Das Pegel-Management obliegt einem integrierten Spezialisten, bei der Digitalsektion haben ohnehin jede Menge Vielbeiner das Sagen. Das Ganze ist voll bis unters Dach (deshalb passte auch keinePhonovorstufe mehr) und vertrauenerweckend solide aufgebaut. Passt. Wer ob des unaufgeregten technischenAuftrittes des Exxceed Integrated ein ebensolches Klangbild erwartet, den bekehrt der Kassleler Beau mit Nachdruck eines Besseren. Zur Demonstration seiner Fähigkeiten bekommt er es mit dem selbstbetitelten 1983er Album der legendären Jazzformation Oregon zu tun. Die übrigens in den Bauer-Studios in Ludwigsburg entstandene Aufnahme stellt hohe nforderungen an die dynamischen Fähigkeiten der angeschlossenen Hardware, im Groben wie im Feinen. Der Exxceed Integrated ist bei dem aus ganz vielen kleinen musikalischen Elementen bestehenden Werk voll auf der Höhe und zeigt sich als Meister der Klangfarben. Colin Walcotts Percussion glänzt und leuchtet, Paul McCandless' Bläsinstrumente schweben schwerelos durch den Raum, Ralph Towners vielfältiges Instrumentarium liefert das Gewebe zwischen all den verschiedenen Sounds. Mit dem Trigon klingt's organisch, stimmig und elegant. Hier musizieren vier Ausnahmekönner miteinander, die Verbindung der vier erschließt sich unmittelbar. Klar kann der Trigon auch schöne trockenene Bässe und einen weit ausgedehnten Hochtonbereich, aber seine über-alles-Eleganz ist das, was sein Klangbild ausmacht. Das ist so schön, da wird sogar Jennifer Warnes' unsterbliches „Famous Blue Raincoat" noch mal zum Erlebnis und verliert alles Kitschige.
Ganz großes Entertainment! - Holger Barske